Konzeptauswahl

Ich erwähnte, dass ich den Raum sowohl zur Aufnahme von akustischen Zupfinstrumenten und Gesang, als auch zum Abhören benötige. Dazu gibt es ein Konzept, das Live-End-Dead-End (kurz LEDE) genannt wird.

LEDE-Prinzip (Quelle: Wikipedia)

LEDE-Prinzip (Quelle: Wikipedia)

Eigentlich ist die Technik ursprünglich für reine Regieräume entwickelt. Im Prinzip wird es so konstruiert, dass das Raumende, wo die Stereolautsprecher stehen, auf Absorption, das andere Ende des Abhörens auf Diffusität ausgelegt wird. Das ist ein sehr geeignetes Konzept für ein Homestudio, weil man für die Aufnahme der akustischen Instrumente ebenso eine hohe Diffusität braucht. Das bedeutet, man kann im Live-End auch aufnehmen.

Konkret bedeutet es für mich, an einem Ende des Raums, wo sich die Lautsprecher befinden, Absorber zu platzieren und hinten am anderen Ende die Diffusoren zu platzieren. Der Raum ist um die 12qm groß und hat eine Dachschräge auf einer kurzen Seite. Das ist ein Segen, weil die Wand hinter den Lautsprechern nicht parallel zur hinteren Wand ist und schon mal dadurch Flatterechos reduziert werden.  Der nächste Segen ist, dass diese schräge Wand aus Holz besteht und Abstellraum hinter sich verbirgt. Das hilft sehr bei der Absorption des tiefen Frequenzbereichs. Dazu komme ich später.

Abhördreieck und die Erstreflexionen

Doch es sieht in meinem kleinen Raum nicht nur rosig aus. Sondern, als allgemeines Problem der kleinen Räume, habe ich in diesem kleinen Raum ebenso eine sehr große Bassenergie, die absorbiert werden muss. Zudem habe ich wenig Raum, so dass ich die Lautsprecher nicht so weit weg von den Wänden stellen kann, so dass die Erstreflexionen sehr stark sind.

Nichtsdestotrotz muss ich meine Lautsprecher irgendwo am Vernünftigsten platzieren, sodass mir auch Platz für das „Live End“ bleibt. Die Lautsprecher sind deshalb ungünstigerweise nur um 70cm von der hinteren und seitlichen Wände entfernt positioniert worden. Eine Kante des Abhördreiecks beträgt in dem Fall 160cm. Für meine Studiomonitore (Neumann KH120A) ist ein Abhörabstand von min. 100cm und max. 200cm empfohlen. Dabei bin ich im optimalen Bereich. Doch die Lautsprecher müssen so weit wie möglich von den Wänden entfernt platziert sein.  Am Besten hört man im leeren Weltall ab, wo der Schall nicht von keinem anderen nahen Objekt reflektiert werden kann und man nur die Schallquelle, also Lautsprecher, abhört. Doch selbst die teuersten Studios haben diese theoretische Möglichkeit nicht. Doch ab 2-3m Wandabstand werden die Erstreflexionen deutlich abgeschwächt und sein Anteil im Schalleindruck sinkt erheblich.

Positionierung und Dimensionierung des Abhördreiecks

Positionierung und Dimensionierung des Abhördreiecks

Tieffrequente Schallenergie

Das nächste Problem in meinem Raum ist, dass der zu klein ist, um die im Fachjargon sogenannte „Bassenergie“ zu dämpfen.  Die Wellenlänge des Schalls berechnet sich als:

   =   v / f

wobei    die Schallwellenlänge, v die Schallgeschwindigkeit und f die Frequenz ist. Meine Anforderung an tiefster Frequenz gab ich als 50Hz an. Das ergibt eine Schallwellenlänge von 6,8m ! Ich könnte diese tiefen Frequenzen nicht mal dann dämpfen, wenn ich meinen Raum bis zur Decke voll mit Dämmmaterial füllen würde – egal was für ein teures und überlegenes Dämmmaterial ich benutze! Ohne groß aufwändig mit Dämmkoeffizienten von Materialien die Schalleistungsdämpfung in (dB) zu berechnen und es nach A-B-C-D-Bewertungen zu gewichten etc. pp., weiß ich schon: Ich werde die tiefen Frequenzen nie großartig aktiv und wirksam dämpfen könnenDas ist erst mal ein ernüchterndes Erkenntnis. Doch stellt sich die Frage: Brauche ich das unbedingt? Muss ich wirklich bis zu 50 Hz absolut trocken und frei von Reflexionen abhören? Hat der Mensch eine starke Echo-Wahrnehmung bei tiefen Frequenzen. Dazu werfen wir mal einen Blick in die Bewertung des menschlichen Gehörs:

Akustische Bewertungskurven. Quelle: Wikipedia

Akustische Bewertungskurven. Quelle: Wikipedia

Erst mal haben wir eine recht schwache Wahrnehmung von tiefen Frequenzen. Dementsprechend schwach nehmen wir auch deren Reflektionen wahr. Doch was wir bei tiefen Frequenzen wahrnehmen, ist sozusagen die „Trockenheit“. Da die tieffrequenten Schallwellen schon sehr lange hallen (Im besten Fall 0,2-0,3 s) kann es dazu führen, dass diese beim Abhören im Raum herumschwingen und quasi einen tieffrequenten „Teppich“ legen. Dabei empfindet man die leicht höheren Frequenzbereiche  (100-250 Hz) schwammig und undifferenziert – selbst wenn diese selbst gut gedämpft wären.

Zudem muss man erwähnen, dass die marktüblichen Lautsprecher für den Consumerbereich diese Frequenzen sowieso nicht befriedigend abbilden können und es sowieso viel mehr auf das „bassige“ Klangbild ankommt als auf die Differenziertheit dieses Klangs im Low-End. Das „Schwammigkeitsempfinden“ vom Low-End wird sehr viel vom Dämpfungsverhalten der Sub-Bass-Treiber bestimmt. Hinzu kommt, dass der Consumer die Low-Ends ebenso nicht in einem derart akustisch-optimierten Raum hören wird und die räumlichen Bassreflexionen auftreten werden, selbst wenn man den ultimativen Low-End-Mix gemacht hat.

Lange Rede, kurzer Sinn: Je tiefer die Frequenz, desto schwieriger ist es, diese in einem freien Raum abzubilden. Das gilt auch für Profi-Studios. Zwar können sie tiefere Frequenzen sauber im Raum abbilden, als in Homestudios, aber irgendwann ist auch dort Schluss.

Abhilfe schafft hier der Kopfhörer. Man kann die tiefen Frequenzen mit einem Kopfhörer bewerten. Die Low-Ends sind ohnehin nicht bedeutend für das Räumlichkeitsempfinden.

Doch trotzdem ist es nötig, ein möglichst gleichmäßiges Reflektionsverhalten im gesamten Klangbild zu haben – auch wenn es aus genannten Gründen nicht bis in die tiefsten Frequenzen erreichen kann. Daher formuliert man die Frage: Bis zu welchem Frequenzbereich könnte ich eine Dämpfung erzielen?

Bei der Bedämpfung der Schallreflektionen durch die Wand, muss der Schall das Medium, bzw. das Dämmmaterial nicht nur durchpassieren, sondern auch zurückpassieren. Die relevante Dicke ist daher die doppelte Dicke der Absorptionsplatte. Die marktübliche 10cm dicke Basotectplatte kann Wellenlängen bis 20cm theoretisch nahezu vollständig absorbiert. Das bedeutet eine Frequenz von

f=v/ =340/0.20=1,7kHz

Das bedeutet, die Schallwellen über diese Frequenz, die ins Material eindringen, werden bei üblichen Absorptionsmaterialien wie Basotect, nahezu 100% absorbiert. Die Schallwellen mit tieferen Frequenzen werden geschwächt. Siehe die Messwerte für die frequenzabhängige Absorptionskoeffizient α für die Basotect-Platten mit verschiedener Dicke:

basotect_physical

Wie man aus dem Diagramm erkennt, werden die tieferen Frequenzen stark abgeschwächt. Dadurch kann z. B. eine 10cm dicke Basotect-Platte die Frequenzen bis 500Hz erfolgreich dämpfen. Dickere Platten sind in der Lage, dementsprechend tiefere Frequenzen zu absorbieren.


Drei wichtige Maßnahmen für die akustische Behandlung des Raums sind zusammengefasst:

  1. Breitbandige Absorption der Erstreflexionen
  2. Absorption der Bassenergie
  3. Diffusion der Schallwellen für das Live-End

Raumresonanzen

In der Praxis hat jeder Raum Resonanzfrequenzen bedingt durch seine Geometrie. Diese Frequenzen müssen ermittelt und gezielt gedämpft werden, um ein gleichmäßiges und breitbandiges Dämpfungsverhalten zu erzielen. Durch den Wandabstand der Absorptionsplatten können bestimmte Frequenzen stärker absorbiert werden.

Messtechnik

Im Folgenden wird der Nachhallverhalten des Raums gemessen.

SOFTWARE

Die Messungen werden mit der kostenlosen Software REW durchgeführt, die auf der verlinkten Internetseite heruntergeladen werden kann.

MESSMIKROFON

Um die Raumakustik zu messen, braucht man ein geeignetes Mikrofon mit Kugelcharakteristik. Darüber hinaus muss das Mikrofon eine gleichmäßige Abnahmeverhalten  über dem gesamten Frequenzspektrum besitzen.

Es gibt im Markt kalibrierte kalibrierte Messmikrofone, die einen eigenen Vorverstärker und digitales Interface besitzen, um den absoluten Schalldruck zu messen. Ein kalibriertes Mikrofon, ist das U-MIK 1.

Man hat auch die Möglichkeit, ein Kondensatormikrofon mit der Kugelcharakteristik zu nehmen und selber zu kalibrieren. Dafür braucht man ein Schalldruckmessgerät, wenn man sich für den absoluten Schalldruck interessiert.

MIKROFONVORVERSTÄRKER

Wenn man ein analoges Kondensatormikrofon mit Kugelcharakteristik besitzt, benötigt man einen linearen Vorverstärker, der die Aufzeichnungen unverfälscht an den Wandler überträgt. Die Röhrenpreamps sind dafür eher ungeeignet, da sie oft ein nichtlinerares Verstärkungsverhalten haben. Einfache Transistorvorverstärker sind für den Zweck gut geeignet.

Für die Messungen dienen in meinem Fall als Messmikrofon ein Rode NT2-A mit Kugelcharakteristik und ein Soundcraft Vorverstärker.

WF_bos

Wasserfalldiagramm vom leeren Raum

RT60_bos

RT60 Kurve des leeren Raums

Wie im Wasserfalldiagramm ersichtlich, ist der leere Raum schwache Dämpfung über das gesamte Frequenzspektrum. Der RT60 Kurve pendelt auf 0,5s ein.

RT60 WERT

RT60 (Reverbation time 60dB) Wert ist definiert als die Zeitspanne, in der ein Schallimpuls um 60dB (1/1000) abfällt.

Das Ziel ist eine breitbandige Dämpfung um -60dB pro 300ms. Das bedeutet also ein RT60 Wert von 0,3 s.

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