Can Kosar

Kategorie: Audiotechnik (page 6 of 6)

Emitterschaltung (Common-Emitter)

Emitterschaltung ist eine der wichtigsten Bipolartransistor-Konfigurationen. Meistens wird sie zur Spannungsverstärkung verwendet.

Funktionsprinzip

Das Funktionsprinzip mit einem NPN-Transistor ist wie folgt:

Der Name Common-emitter, engl. gemeinsamer Emitter leitet sich von der Tatsache ab, dass sich sowohl das Eingangs- als auch das Ausgangssignal auf das Spannungsniveau vom Emitter beziehen.

Der Verstärkungsfaktor der Spannung beträgt

A=\frac{U_A}{U_E} \approx -\frac{R_C}{R_E},

wobei in dem Fall R_E=re'=\frac{1}{g_m} quasi der innere Emitterwiderstand ist, der von der Transkonduktanz und dadurch von der Temperatur abhängt. Bei der Raumtemperatur kann man von re'\approx 26\Omega ausgehen. Mit der Annahme, R_C=4700\Omega beträgt die Verstärkung

A=\frac{R_C}{re'}=\frac{4700\Omega}{26\Omega}=180

Emitterdegeneration

Die Hauptcharakteristik dieser Schaltung ist, dass sie im Kleinsignalbereich verzerrungsarm funktioniert. Wird der Kleinsignalbereich überschritten, entstehen hohe Verzerrungen und man kann die Schaltung nicht mehr mit dem Kleinsignalmodell beschreiben. Bei großen Schwingungen kann der Kollektorstrom I_C nicht mehr konstant angenommen werden, da er stark mit der Emitterspannung schwankt. Dadurch entsteht ein exponentielles Verhalten zwischen der Eingangsspannung und dem Kollektorstrom (und dadurch der Ausgangsspannung). Um die Verzerrungen, die dadurch entstehen, zu reduzieren, wird ein zusätzlicher Degenerationswiderstand R_{ED} zwischen dem Emitter und der Referenzspannung hinzugefügt.

Dadurch kann der Verstärkungsfaktor annäherungsweise mit

A=\frac{U_A}{U_E} \approx -\frac{R_C}{R_{ED}+re'}

berechnet werden. Beispiel: Um die Degeneration auf ungefähr ein Zehntel zu reduzieren, wird ein Degenerationswiderstand wird einen effektiven Emitterwiderstand von R_E\approx260\Omega gebraucht. Mit dem Widerstand R_{ED}=220\Omega wird es näherungsweise erzielt. Dadurch reduziert sich der Verstärkungsfaktor ebenso auf ein Zehntel:

A_{D}=\frac{U_A}{U_E} \approx -\frac{R_C}{R_{ED}+re'}=\frac{4700\Omega}{26\Omega+220\Omega}\approx 19

 

Differenzverstärker / Subtrahierer

Die erste Stufe eines Class A / AB Verstärkers ist ein Differenzverstärker. Auch die Eingangsstufe und das Herzstück der Operationsverstärker sind Differenzverstärker (Differential amplifier), da diese üblicherweise auf Class AB – Architektur basieren. Die Hauptfunktion der Differenzverstärker ist das Subtrahieren von zwei Signalen. Bei einem Closed-Loop-Verstärker ist der Differenzverstärker die Komponente, die die Fehler der nachfolgenden Spannungs- und Stromverstärkungssstufen kompensiert. Deshalb ist die Qualität der Differenzverstärkerstufe maßgeblich für die Qualität des gesamten Verstärkers.

Es gibt u. a. zwei grundsätzliche Möglichkeiten, einen Differenzverstärker realisieren:

  1. Differenzverstärker mit bipolaren Transistoren (BJT)
  2. Differenzverstärker mit Feldeffekt-Transistoren (FET)

Der Vorteil beim Aufbau mit bipolaren Transistoren ist, dass diese recht unempfindlich für die thermischen Auswirkungen sind. Dafür haben diese aber einen niedrigen Eingangsimpedanz.

Der Vorteil der FETs sind, dass diese sehr hohen Eingangsimpedanz besitzen und dadurch besser für die Verstärkung kleinerer Signale bzw. Ströme eignen. Beim Aufbau der (guten) Operationsverstärker sind deshalb verbreiteter. Der Hauptnachteil der FETs besteht darin, dass diese eine große Streuung bei thermischen Eigenschaften besitzen. Dadurch sind die FET-Differenzverstärkern für diskreten Aufbau eher ungeeignet, da es schwieriger ist, die thermischen Ungleichheiten beider FETs auszugleichen. Auf integrierten Schaltungen sind diese Effekte viel besser beherrschbar, da v. a. die Transistoren in demselben Chip sind, wo die thermischen Effekte gleichmäßiger sind.

Um die negativen Einflüsse der thermischen Effekte zu reduzieren, werden bei einem diskreten Aufbau beide Transistoren des Differenzverstärker physisch nah realisiert. Dadurch wird versucht, dass die thermischen Effekte zumindest auf beide Transistoren wirken und kompensiert werden.

Funktionsprinzip der beiden Varianten ist gleich. Da diese Artikelserie sich auf den diskreten Aufbau der Schaltungen basiert, werden im folgenden die Differenzverstärker mit bipolaren Transistoren erläutert.

Funktionsprinzip

Wenn an beiden Eingängen die gleiche Spannung anliegt, ist sind die Ströme und somit Kollektorspannungen an beiden Zweigen gleich . Dadurch entsteht keine Spannungsdifferenz an beiden Kollektoren. Somit gilt I_{C1}=I_{C2}=\frac{I_E}{2}.

Eine Vereinfachung der Konstantstromquelle ist ein Widerstand. D.h. eine funktionierende Schaltung würde so aussehen.

Dimensionierung

1. Arbeitsstrom I_E der Stromquelle festlegen

Hier spielen u. a. zwei wichtige Faktoren eine Rolle:

a) Die Differenzstufe eines Verstärkers steuert eine Spannungsverstärkungsstufe.  Man kann sich vorstellen, dass die Ausgangsimpedanz des Differenzverstärkers mit der Eingangsimpedanz des Spannungsverstärkers parallelgeschaltet sind. Daher muss die Ausgangsimpedanz des Differenzverstärkers möglichst niedrig (und die Eingangsimpedanz des Spannungsverstärkers möglichst hoch) sein, damit der Differenzverstärkungsfaktor möglichst hoch bzw. der Klirrfaktor möglichst niedrig bleibt. Dies erfordert einen möglichst hohen Arbeitsstrom.

b) Die Transistoren müssen mit möglichst niedrigen Strömen arbeiten, damit der Einfluss der thermischen Effekte reduziert wird. Zudem ermöglichen niedrige Ströme bessere Energieeffizienz.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kann ein Arbeitsstrom I_E festgelegt werden. Bei einem Spannungsverstärker mit hoher Eingangsimpedanz ermöglicht ein Arbeitsstrom von 1mA bis 10mA eine gute Ausgangsimpedanz und ist dennoch thermisch effizient.

2. Kollektorspannung am Arbeitspunkt festlegen

Bei den Audiosignalen geht es um Wechselspannungen. Daher kann man den Arbeitspunkt als U_{e1}=U_{e2}=0 definieren. Die Kollektorspannungen der NPN-Transistoren schwanken zwischen 0,6-0,7V und U_{S+} Um eine gute Aussteuerbarkeit zu haben, sollte die Spannung am Arbeitspunkt U_{C1} \approx U_{C2}  \approx \frac{U_{S+}}{2} betragen. Bei einem einfachen Widerstand als Stromquelle lässt sich das mit R_{C} \approx R_{E} realisieren. Dadurch kann der Emitterwiderstand R_E sowohl rechnerisch als auch simulativ berechnet werden.

3. Konstantstromquelle realisieren

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Konstantstromquelle zu realisieren, die verschiedene Güte, Aufwand und Komplexität haben. Man kann die Konstantstromquellen ebenso diskret wie durch ICs realisieren. Die einfachste Form von einem einzelnen Widerstand ist für anspruchsvolle Audio-Zwecke nicht ausreichend. Doch mit Hilfe weniger Halbleitern können Stromquellen ausreichender Qualität gebaut werden. Im folgenden ist eine sehr verbreitete Stromquelle gezeigt, die in vielen anspruchsvollen Anwendungen zu finden ist.

Erweiterung durch Stromspiegel

Die obige Schaltung basiert auf den symmetriebedingten Ähnlichkeit der Kollektorströme durch die gleichen Kollektorwiderstände  R_C. Dies kann durch einen Stromspiegel (engl. current mirror) ersetzt werden, um eine aktive Regelung der Kollektorströme I_{C1} \approx I_{C2}, und dadurch eine deutlich höhere Differenzverstärkung zu erzielen. So kann die obige Schaltung folgendermaßen erweitert werden:

Durch die Erweiterung durch Stromspiegel geht allerdings die Symmetrie am Ausgang verloren und es entsteht ein Offset. Dies wird aber im geschlossenen Regelkreis (Closed-Loop) des Verstärkers herausgeregelt.

Degenerationswiderstand am Emitter

Transkonduktanz

Bei der Common-Emitter-Konfiguration ist die Transkonduktanz eine wichtige Größe und definiert das Verhältnis zwischen Basis-Emitterspannung und des Kollektorstroms. Bei einem bipolaren Transistor wird aber der Kollektorstrom durch die Basis-Emitterspannung geregelt. D.h. wenn die Basis-Emitter-Spannung erhöht wird, erhöht sich auch die Transkonduktanz. Das ergibt ein exponentielles Verhältnis zwischen der Basis-Emitter-Spannung und und dem Kollektorstrom. Transkonduktanz kann als

g_m=\frac{I_C}{V_T}

definiert werden. Ein typischer Wert für die thermale Spannung ist 26mV im Raumtemperatur. Die inverse Transkondukanz kann auch als ein effektiver dynamischer Emitterwiderstand re' vorgestellt werden, dessen Wert vom Kollektorstrom abhängt.

re'=\frac{1}{g_m}=\frac{V_T}{I_C}

D.h. zusammengefasst, bei einer normalen Common-Emitter-Konfiguration ist die Verstärkung nicht linear. Je größer die Verstärkung, desto höher ist der Stromdurchlass durch den Kollektor und dadurch ergibt eine Art Verzerrung (engl. degeneration).

Um diese Verzerrung zu reduzieren, kann dieser virtuelle Emitterwiderstand re' mit einem weiteren Emitterwiderstand erweitert werden. bei einem zusätzlichen Widerstand von 220\Omega wird die Degeneration um ungefähr um das 10-fache verbessert. Im Gegenzug wird die (Open-Loop) Verstärkung der Common-Emitter-Konfiguration auf ein zehntel reduziert.

Simulation der Differenzverstärker

Die Differenzverstärker liefern je nach Bauart üblicherweise sehr hohe Open-Loop-Verstärkungen und sind üblicherweise als Subtrahierer in geschlossenen Regelkreisen eingesetzt. Bei der Open-Loop-Simulation muss deshalb beachtet werden, dass sich die Differenzverstärker nur in einem kleinen Bereich der Eingangsspannungen linear verhält. Bei der Verstärkung großer Spannungsdifferenzen ist dieser deshalb schnell gesättigt und nichtlinear. Anbei befinden sich LT-Spice-Simulationen der oben vorgestellten Varianten.

LTSPICE-Datei herunterladen

Nachweise / Literatur

Eine ausführliche Schaltungsanalyse, Klirrfaktoranalyse und die Herleitungen der bipolaren und FET-Differenzverstärker sind u. a. unter

https://home.zhaw.ch/kunr/Elektronik/Skript_MVKuenzli_ab%20SS04/Kap_9.pdf

zu finden. Zudem siehe

 

 

Minimalistische Akustikoptimierung eines kleinen Raums nach LEDE

Artikelübersicht

In diesem Artikel wird die Optimierung eines kleinen Raums erläutert. Konkret geht es hierbei um ein Homestudio, das aus einem kleinen Raum besteht, der sowohl als Regieraum als auch als Aufnahmeraum benutzt wird.

Die Praxis zeigt dem ambitionierten Homerecorder ganz schnell, dass hochwertige Aufnahmen nicht alleine durch hochwertige Equipments erledigt sind und dass ein akustisch optimierter Raum unerlässlich für anspruchsvolle Projektaufnahmen ist. In der Regel muss der Raum für zwei Zwecke dienen:

  • Regieraum („Toter“ Raum)
  • Aufnahmeraum („Lebendiger“ Raum)

Denn hier stehen zwei Anforderungen gegeneinander. Ein sogenannter Regieraum, also der Abhörraum, wo die Musik gehört, gemixt und gemastered wird, muss akustisch trocken sein. Hingegen muss der Raum, wo der Gesang und akustische Instrumente aufgenommen werden, oft lebendiger sein. Die Gesangsaufnahme kann je nach Wunschklang in quasi schalltoten Gesangskabinen oder umgekehrt, in großen Aufnahmeräumen – gar in Jazz-Clubs erfolgen.

Doch für manche Instrumente ist ein komplett toter Raum ungeeignet. Zudem gehört z.B. Akustische Gitarren. Der wahrgenommene Klang einer Akustik-Gitarre setzt sich sowohl aus dem Klang des Schallkörpers als auch dem des Raums.  Deswegen ist ein „voller“ Akustik- oder Konzertgitarrensound nur ein einem lebendigen Raum möglich.


Es lässt sich lange über akustisches Empfinden und den ultimativen Aufnahmebedingungen streiten, denn ich kenne keinen anderen Bereich der Technik, wo die Subjektivität derart im Vordergrund liegt, wie die Psychoakustik. Besonders spürt man das bei den Anwendungen dieser Wissenschaft im künstlerischen Bereich. Während ein Mensch sterile, ausgewogen-harmonische und bis zur Perfektion optimierte Klangbilder angenehm empfindet, empfindet der andere Mensch die sogenannte Liveness, markante, alleinstellende experimentelle Klangbilder angenehm, die einfach anders sind. Und erfolgreiche Aufnahmen gibt’s von beiden dieser Richtungen.

Doch es ist nicht der Gegenstand von diesem Artikel, den ultimativen und absolut richtigen Klangbild, Sound und Aufnahmebedingungen herauszudiskutieren, sondern technische Methoden und Hilfsmittel zu erläutern, die beim Erreichen des eigenen subjektiven Wunschklangbilds helfen.

Als erstes vor dem Gestalten seines Homestudios muss man seine Anforderungen an den Raum klarstellen.  Dazu ist es wichtig zu beantworten:

  • Was für eine Musikrichtung möchte ich aufnehmen?
  • Was für Instrumente möchte ich aufnehmen?

Denn eins ist klar: Ein Homestudio kann kein vollwertiges professionelles Musikstudio sein. Gute Nachricht: Das muss es auch nicht! Denn ein Homestudio muss nicht in der Lage sein, ein Symphonie-Orchester, 15 Bläser, Samba-Trommel-Band und ein Chor gleichzeitig aufzunehmen! Dementsprechend ist die triviale Frage doch sehr wichtig: Was brauche ich denn wirklich? Während der eine rein digital Elektronik-Musik mit viel Low-End aufnehmen will, möchte der andere Acapella-Gesang aufnehmen. Schon mal da sind die Anforderungen an den Raum sehr anders.

In meinem Fall habe ich folgende Anforderungen an den Raum:

  • Er muss für vernünftige Gesangsaufnahmen taugen
  • Er muss für vernünftige Akustikgitarrenaufnahmen taugen
  • Er muss für ein differenziertes und unverfälschtes Abhörverhalten über das ganze Frequenzband geeignet sein.
  • Das Low-End bis ~50Hz ist ausreichend. (Tiefste Instrumente sind Bass-Gitarre und Bass-Drum)
  • Ein Sofa und ein Regal müssen drin stehen.
  • Die akustischen Maßnahmen sollen weniger als 20€ kosten.
  • Er muss besser klingen als die Abbey-Road-Studios.

Wie man sieht, kann man vielleicht am Ende nicht alle Anforderungen 100% erfüllen und da muss der eine oder der andere Punkt Einbuße hinnehmen (besonders der letzte und vorletzte Punkt). Doch das ist nicht schlimm. Wenn man seine Anforderungen klar formuliert hat, hat man den ersten wichtigen Schritt gemacht. Denn das Wichtigste ist, die Raumoptimierung in die richtige Richtung zu treiben. Nur so kann man eines Tages am Ziel ankommen, halbwegs vernünftig klingende Projektaufnahmen zu machen. Dazu braucht es  sicher viel Geld, das dem Homerecorder meist fehlt aber viel wichtiger: Dazu braucht es viel Wissen, das dem Homerecorder ebenso fehlt.  Es ist im Prinzip ein Optimierungsproblem mit Optimierungsgrößen:

  • das Budget, das man zur Verfügung hat,
  • die Güte, die man erreichen will und
  • der (Arbeits- und Lern-) Aufwand, den man hineinstecken will.

So was wird i. a. ein magisches Dreieck  „Zeit-Kosten-Qualität“ genannt. Egal ob ein Profi-Studio, Projektstudio oder ein einfaches  Homestudio, muss sich jeder irgendwo in diesem Dreieck platzieren.  Daher ist es umso wichtiger, das nötige Wissen zu gewinnen und seinen Studioaufbau vernünftig zu planen.

Hier geht’s zum Teil 2 =>

Minimalistische Akustikoptimierung eines kleinen Raums nach LEDE – Teil 2

 

Konzeptauswahl

Ich erwähnte, dass ich den Raum sowohl zur Aufnahme von akustischen Zupfinstrumenten und Gesang, als auch zum Abhören benötige. Dazu gibt es ein Konzept, das Live-End-Dead-End (kurz LEDE) genannt wird.

LEDE-Prinzip (Quelle: Wikipedia)

LEDE-Prinzip (Quelle: Wikipedia)

Eigentlich ist die Technik ursprünglich für reine Regieräume entwickelt. Im Prinzip wird es so konstruiert, dass das Raumende, wo die Stereolautsprecher stehen, auf Absorption, das andere Ende des Abhörens auf Diffusität ausgelegt wird. Das ist ein sehr geeignetes Konzept für ein Homestudio, weil man für die Aufnahme der akustischen Instrumente ebenso eine hohe Diffusität braucht. Das bedeutet, man kann im Live-End auch aufnehmen.

Konkret bedeutet es für mich, an einem Ende des Raums, wo sich die Lautsprecher befinden, Absorber zu platzieren und hinten am anderen Ende die Diffusoren zu platzieren. Der Raum ist um die 12qm groß und hat eine Dachschräge auf einer kurzen Seite. Das ist ein Segen, weil die Wand hinter den Lautsprechern nicht parallel zur hinteren Wand ist und schon mal dadurch Flatterechos reduziert werden.  Der nächste Segen ist, dass diese schräge Wand aus Holz besteht und Abstellraum hinter sich verbirgt. Das hilft sehr bei der Absorption des tiefen Frequenzbereichs. Dazu komme ich später.

Abhördreieck und die Erstreflexionen

Doch es sieht in meinem kleinen Raum nicht nur rosig aus. Sondern, als allgemeines Problem der kleinen Räume, habe ich in diesem kleinen Raum ebenso eine sehr große Bassenergie, die absorbiert werden muss. Zudem habe ich wenig Raum, so dass ich die Lautsprecher nicht so weit weg von den Wänden stellen kann, so dass die Erstreflexionen sehr stark sind.

Nichtsdestotrotz muss ich meine Lautsprecher irgendwo am Vernünftigsten platzieren, sodass mir auch Platz für das „Live End“ bleibt. Die Lautsprecher sind deshalb ungünstigerweise nur um 70cm von der hinteren und seitlichen Wände entfernt positioniert worden. Eine Kante des Abhördreiecks beträgt in dem Fall 160cm. Für meine Studiomonitore (Neumann KH120A) ist ein Abhörabstand von min. 100cm und max. 200cm empfohlen. Dabei bin ich im optimalen Bereich. Doch die Lautsprecher müssen so weit wie möglich von den Wänden entfernt platziert sein.  Am Besten hört man im leeren Weltall ab, wo der Schall nicht von keinem anderen nahen Objekt reflektiert werden kann und man nur die Schallquelle, also Lautsprecher, abhört. Doch selbst die teuersten Studios haben diese theoretische Möglichkeit nicht. Doch ab 2-3m Wandabstand werden die Erstreflexionen deutlich abgeschwächt und sein Anteil im Schalleindruck sinkt erheblich.

Positionierung und Dimensionierung des Abhördreiecks

Positionierung und Dimensionierung des Abhördreiecks

Tieffrequente Schallenergie

Das nächste Problem in meinem Raum ist, dass der zu klein ist, um die im Fachjargon sogenannte „Bassenergie“ zu dämpfen.  Die Wellenlänge des Schalls berechnet sich als:

   =   v / f

wobei    die Schallwellenlänge, v die Schallgeschwindigkeit und f die Frequenz ist. Meine Anforderung an tiefster Frequenz gab ich als 50Hz an. Das ergibt eine Schallwellenlänge von 6,8m ! Ich könnte diese tiefen Frequenzen nicht mal dann dämpfen, wenn ich meinen Raum bis zur Decke voll mit Dämmmaterial füllen würde – egal was für ein teures und überlegenes Dämmmaterial ich benutze! Ohne groß aufwändig mit Dämmkoeffizienten von Materialien die Schalleistungsdämpfung in (dB) zu berechnen und es nach A-B-C-D-Bewertungen zu gewichten etc. pp., weiß ich schon: Ich werde die tiefen Frequenzen nie großartig aktiv und wirksam dämpfen könnenDas ist erst mal ein ernüchterndes Erkenntnis. Doch stellt sich die Frage: Brauche ich das unbedingt? Muss ich wirklich bis zu 50 Hz absolut trocken und frei von Reflexionen abhören? Hat der Mensch eine starke Echo-Wahrnehmung bei tiefen Frequenzen. Dazu werfen wir mal einen Blick in die Bewertung des menschlichen Gehörs:

Akustische Bewertungskurven. Quelle: Wikipedia

Akustische Bewertungskurven. Quelle: Wikipedia

Erst mal haben wir eine recht schwache Wahrnehmung von tiefen Frequenzen. Dementsprechend schwach nehmen wir auch deren Reflektionen wahr. Doch was wir bei tiefen Frequenzen wahrnehmen, ist sozusagen die „Trockenheit“. Da die tieffrequenten Schallwellen schon sehr lange hallen (Im besten Fall 0,2-0,3 s) kann es dazu führen, dass diese beim Abhören im Raum herumschwingen und quasi einen tieffrequenten „Teppich“ legen. Dabei empfindet man die leicht höheren Frequenzbereiche  (100-250 Hz) schwammig und undifferenziert – selbst wenn diese selbst gut gedämpft wären.

Zudem muss man erwähnen, dass die marktüblichen Lautsprecher für den Consumerbereich diese Frequenzen sowieso nicht befriedigend abbilden können und es sowieso viel mehr auf das „bassige“ Klangbild ankommt als auf die Differenziertheit dieses Klangs im Low-End. Das „Schwammigkeitsempfinden“ vom Low-End wird sehr viel vom Dämpfungsverhalten der Sub-Bass-Treiber bestimmt. Hinzu kommt, dass der Consumer die Low-Ends ebenso nicht in einem derart akustisch-optimierten Raum hören wird und die räumlichen Bassreflexionen auftreten werden, selbst wenn man den ultimativen Low-End-Mix gemacht hat.

Lange Rede, kurzer Sinn: Je tiefer die Frequenz, desto schwieriger ist es, diese in einem freien Raum abzubilden. Das gilt auch für Profi-Studios. Zwar können sie tiefere Frequenzen sauber im Raum abbilden, als in Homestudios, aber irgendwann ist auch dort Schluss.

Abhilfe schafft hier der Kopfhörer. Man kann die tiefen Frequenzen mit einem Kopfhörer bewerten. Die Low-Ends sind ohnehin nicht bedeutend für das Räumlichkeitsempfinden.

Doch trotzdem ist es nötig, ein möglichst gleichmäßiges Reflektionsverhalten im gesamten Klangbild zu haben – auch wenn es aus genannten Gründen nicht bis in die tiefsten Frequenzen erreichen kann. Daher formuliert man die Frage: Bis zu welchem Frequenzbereich könnte ich eine Dämpfung erzielen?

Bei der Bedämpfung der Schallreflektionen durch die Wand, muss der Schall das Medium, bzw. das Dämmmaterial nicht nur durchpassieren, sondern auch zurückpassieren. Die relevante Dicke ist daher die doppelte Dicke der Absorptionsplatte. Die marktübliche 10cm dicke Basotectplatte kann Wellenlängen bis 20cm theoretisch nahezu vollständig absorbiert. Das bedeutet eine Frequenz von

f=v/ =340/0.20=1,7kHz

Das bedeutet, die Schallwellen über diese Frequenz, die ins Material eindringen, werden bei üblichen Absorptionsmaterialien wie Basotect, nahezu 100% absorbiert. Die Schallwellen mit tieferen Frequenzen werden geschwächt. Siehe die Messwerte für die frequenzabhängige Absorptionskoeffizient α für die Basotect-Platten mit verschiedener Dicke:

basotect_physical

Wie man aus dem Diagramm erkennt, werden die tieferen Frequenzen stark abgeschwächt. Dadurch kann z. B. eine 10cm dicke Basotect-Platte die Frequenzen bis 500Hz erfolgreich dämpfen. Dickere Platten sind in der Lage, dementsprechend tiefere Frequenzen zu absorbieren.


Drei wichtige Maßnahmen für die akustische Behandlung des Raums sind zusammengefasst:

  1. Breitbandige Absorption der Erstreflexionen
  2. Absorption der Bassenergie
  3. Diffusion der Schallwellen für das Live-End

Raumresonanzen

In der Praxis hat jeder Raum Resonanzfrequenzen bedingt durch seine Geometrie. Diese Frequenzen müssen ermittelt und gezielt gedämpft werden, um ein gleichmäßiges und breitbandiges Dämpfungsverhalten zu erzielen. Durch den Wandabstand der Absorptionsplatten können bestimmte Frequenzen stärker absorbiert werden.

Messtechnik

Im Folgenden wird der Nachhallverhalten des Raums gemessen.

SOFTWARE

Die Messungen werden mit der kostenlosen Software REW durchgeführt, die auf der verlinkten Internetseite heruntergeladen werden kann.

MESSMIKROFON

Um die Raumakustik zu messen, braucht man ein geeignetes Mikrofon mit Kugelcharakteristik. Darüber hinaus muss das Mikrofon eine gleichmäßige Abnahmeverhalten  über dem gesamten Frequenzspektrum besitzen.

Es gibt im Markt kalibrierte kalibrierte Messmikrofone, die einen eigenen Vorverstärker und digitales Interface besitzen, um den absoluten Schalldruck zu messen. Ein kalibriertes Mikrofon, ist das U-MIK 1.

Man hat auch die Möglichkeit, ein Kondensatormikrofon mit der Kugelcharakteristik zu nehmen und selber zu kalibrieren. Dafür braucht man ein Schalldruckmessgerät, wenn man sich für den absoluten Schalldruck interessiert.

MIKROFONVORVERSTÄRKER

Wenn man ein analoges Kondensatormikrofon mit Kugelcharakteristik besitzt, benötigt man einen linearen Vorverstärker, der die Aufzeichnungen unverfälscht an den Wandler überträgt. Die Röhrenpreamps sind dafür eher ungeeignet, da sie oft ein nichtlinerares Verstärkungsverhalten haben. Einfache Transistorvorverstärker sind für den Zweck gut geeignet.

Für die Messungen dienen in meinem Fall als Messmikrofon ein Rode NT2-A mit Kugelcharakteristik und ein Soundcraft Vorverstärker.

WF_bos

Wasserfalldiagramm vom leeren Raum

RT60_bos

RT60 Kurve des leeren Raums

Wie im Wasserfalldiagramm ersichtlich, ist der leere Raum schwache Dämpfung über das gesamte Frequenzspektrum. Der RT60 Kurve pendelt auf 0,5s ein.

RT60 WERT

RT60 (Reverbation time 60dB) Wert ist definiert als die Zeitspanne, in der ein Schallimpuls um 60dB (1/1000) abfällt.

Das Ziel ist eine breitbandige Dämpfung um -60dB pro 300ms. Das bedeutet also ein RT60 Wert von 0,3 s.

Hier geht’s zum Teil 3 =>

Minimalistische Akustikoptimierung eines kleinen Raums nach LEDE – Teil 3

Maßnahmen

Im Folgenden stelle ich meine Maßnahmen vor, um dieses Ziel zu erreichen.

Maßnahme #1: Basotect-Platten an seitlichen Erstreflexionsflächen

Seitenabsorber

Das Anbringen breitbandiger Absorber an seitlichen Erstreflektionsflächen ist die wichtigste Maßnahme zur Hallreduktion vom 200 bis 20kHz. Dadurch sinkt der RT60 Wert unter 0,4s.

RT60 Kurve mit seitlichen Absorbern

RT60 Kurve mit seitlichen Absorbern

Wasserfalldiagramm mit seitlichen Absorbern

Wasserfalldiagramm mit seitlichen Absorbern

Den Abstand der Platten zur Wand habe ich empirisch als 10cm ermittelt, wo ich die Absorption etwas nach unten schieben konnte, ohne zusätzliche Kammfiltereffekte zu erzeugen. Der Hintergrund dafür ist, dass man die Absorber mit einem Abstand zur Wand positioniert, anstatt sie bündig zu montieren. Dadurch werden tieferer Frequenzen gedämpft aber manche höhere Frequenzen werden schwächer gedämpft. Bei der Behandlung bestimmter Frequenzen kann das sinnvoll sein.

Maßnahme #2: Bassabsorber an den Ecken

Die Schallenergie verteilt sich immer unregelmäßig in den Raum. Die Bassabsorber werden üblicherweise in die Ecken und Kanten des Raums gestellt. Der Grund dafür ist, dass man die Raummoden von mit höchstmöglicher effektiver Schallabsorptionskoeffizient dämpfen kann. Hier wird dieser Sachverhalt detailliert erläutert. Empirische Versuche zeigen auch, dass man mit Absorbern in den Ecken und Kanten bessere Bassdämpfung erreicht als deren großflächige Verteilung an Oberflächen.

In diesem Teil wurde empirisch eine optimale Positionierung für einen Bassabsorber in der Raumecke gesucht. Nach verschiedenen Messungen wurden die Bassabsorber Schräg und hochkant an die Ecken gestellt.

Raum mit seitlichen und Eckabsorbern

Raum mit seitlichen und Eckabsorbern

Wasserfalldiagramm

Wasserfalldiagramm

RT60 Kurve

RT60 Kurve

Dadurch sinkt die Nachhallzeit auf gute 0,3s. Zudem werden Bücherregale und Couch an die hintere Wand gestellt, die (zwar weniger effizient als Basotect-Stoff) weitere Bassenergie dämpfen.

Raum mit seitlichen, Eckabsorbern und Bücherregalen

Raum mit seitlichen, Eckabsorbern und Bücherregalen

Zudem wird ein hohes Panel aus Basotect im Raum platziert, um empirisch bestimmte Raummoden zu reduzieren. Nach diesen Maßnahmen sehen die Werte folgendermaßen aus:

RT60 Kurve

RT60 Kurve

Wasserfalldiagramm

Wasserfalldiagramm

Somit erreiche ich um 0,25-0,3 Sekunden Nachhallzeit ab ~130Hz.

Subjektive Hörbewertung: Der Raum hört sich subjektiv viel trockener an – in Höhen fast zu trocken, auch das Low-End bis auf den Subbereich, 100Hz, sehr zufriedenstellend. Doch der Raum hört sich dadurch sehr klein und steril an.

Maßnahme #3: Hintere Diffusoren am Live-End

Absorber haben die Aufgabe, Schall zu dämpfen. Die Diffusoren hingegen haben die Aufgabe, den Schall in verschiedenen Raumrichtungen zu verteilen. Es gibt viele gute Quellen, wo erläutert wird, wie man Diffusoren für einen bestimmten Frequenzbereich berechnen und designen kann. Man kann anstreben, eine optimale Diffusion in einem Frequenzbereich zu erreichen. Der Hauptzweck der Diffusion ist dass sich die Schallwellen durch unregelmäßige Wandtopografie in allen Raumrichtungen verteilen. Dies kann bis zum gewissen Grad auch durch eine zufällige Diffusortopographie erreicht werden. Dafür habe ich unterschiedlich große und tiefe Bücherkästen unregelmäßig an die Wand montiert. Diese habe ich mit Büchern gefüllt, die als eine 2D-Diffusor dienen.

An die Seitenwände hängte ich ebenso unregelmäßig Bilderrahmen, die zwar als Diffusor nicht wirklich effizient sind aber Flatterechos reduzieren, da die Wände parallel zueinander sind und kahle Wände dafür sehr ungünstig sind.

So sieht der Raum nach allen Maßnahmen aus:

Hinten Vorne

 

 

 

 

 

 

Abhörraum: Der Raum klingt beim Abhören nach den Maßnahmen beeindruckend gut bis auf den Sub-Bereich. Es klingt weitestgehend ausgewogen. Mit Hilfe eines Kopfhörers für Sub-Bässe, ist der Raum als Abhörraum sehr zufriedenstellend.

Aufnahmeraum: Der Raumanteil bei Gesangsaufnahmen ist sehr gering und dadurch sehr geeignet für trockene Gesangsaufnahmen. Doch das „Live-End“ ist nicht wirklich lebendig trotz minimalistischer Maßnahmen für das „Dead-End“.  Dadurch ist die Aufnahme der Akustikgitarren weniger zufriedenstellend, da diese sehr dünn klingen. Daher ist eine weitere Absorption im Live-End eher kontraproduktiv.

Zusammenfassung

Mit

  • 6x Basotect-Platten à 100x50x10cm
  • 6x DIY-Kästen für Basotect-Platten
  • 8x Bücherkästen
  • mehreren Bilderrahmen

habe ich mein Homestudio weitestgehend akustisch optimiert, sodass ich einen ansprechenden Abhörraum für Frequenzen ab 100Hz habe. Für komplementäre Beurteilung der tieferen Frequenzen arbeite ich mit einem Kopfhörer – für meine Musik allerdings kaum nötig.

Die Behandlung des Raums für die Frequenzen unter 100Hz ist für meine Verhältnisse unverhältnismäßig aufwändig und eigentlich in dem kleinen Raum kaum möglich. Für meine aktuellen Projekte habe ich es nicht nötig.

Als Gesangsaufnahmeraum taugt der Raum ebenso sehr gut, weil sehr trocken. Doch das wird zum Nachteil bei der Aufnahme der akustischen Gitarren, da dazu die Anforderungen kontrovers sind. In dem kleinen Allzweckraum ist es m.E.  ein äußerst schwieriger Anspruch.

Weitere mögliche Maßnahmen, falls weitere Optimierung nötig wird:

  • Größere, tiefere und höhere Bassfallen an allen Ecken mit Basotect
  • Zielgerichtete Diffusion im Live-End und an der Decke.
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